"Ich bin Deutscher und wir Deutschen stammen ja bekanntlich von den Nazis ab. Meine Existenz war von Anfang an erheblich von der Auseinandersetzung mit Massenmördern, Profiteuren, Mitläufern, Nichts-Tuern und ihren Opfern geprägt.

Und auch heute stehen wir Deutschen immer noch unter besonderer Beobachtung und sind zu äusserst kritischer Selbstbeobachtung und permanenter Introspektion verpflichtet. Die Schuld, die wir durchzuarbeiten haben, scheint unendlich zu sein. Und das ist gut so.

Wir sind durch unseren Vorfahren und ihre Untaten zu einer besonders hohen Sensibilität gezwungen. Und so unangenehm dieser Zwang auch ist und so sehr vieles in uns sich immer wieder gegen die gefühlten Zumutungen unserer Vergangenheit wehren will: nach und nach fangen wir an zu begreifen, dass wir durch die notwendige beständige und andauernd schmerzhafte Selbstanalyse im Laufe der Jahrzehnte doch anders geworden sind.

Sicherer im Umgang mit den eigenen Selbstwertproblemen. Toleranter gegenüber unseren Widersprüchen. Entspannter mit unserer Scham. Souveräner mit unserer Schande. Gelassener mit unserer Schuld. Und entschiedener mit unserer Verantwortung.

Wir können zu recht stolz auf unseren Mut sein, mit dem wir immer wieder und immer wieder versuchen uns selbst zu betrachten, zu verstehen, uns selbst akzeptieren zu lernen und nach und nach die Scham und die Schuld hinter uns zu lassen und unsere gewaltige Verantwortung an und über zu nehmen.

Zumindest einige von uns.

Zumindest ein bisschen.

Naja.

Immerhin."


IN DER VERBLEIBENDEN ZEIT / ICH BIN DEUTSCHER

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